6.32 Uhr Samstag
Gleich werde ich wieder in der Halle stehen auf grauem Teppich, mein "Guten Morgen!" verteilen und wissen, wen ich grüße. Denn in einem Jahr habe ich an so vielen unterschiedlichen Plätzen in der Markthalle gestanden, dass ich sie (die anderen Händler) fast alle gut kenne. Einige Lebensgeschichten, so manche Anekdote und Alltägliches, aber auch immer wieder kleine und große Schätze habe ich hier auf dem Flohmarkt gefunden. Schätze, die nicht zu kaufen sind. Die es nur für die Ohren, die Augen und die Seele gibt. Oder mehr noch: für meine inneren Bücher. In diese fließt alles, was nie direkt so wieder in ein geschriebenes Buch eingehen wird. Denn schließlich würde ich es niemanden antun, ihn direkt zu "verwursten" und eine Romanfigur aus ihm zu machen. Es sei denn, er oder sie wünscht es ausdrücklich - auch von so jemandem wüsste ich zu berichten. Nein, jemanden ohne Ausschmückung oder Umwandlung, gar noch ohne große Namensänderung - Zack - zur Romanfigur zu machen - so etwas "tut man nicht".
Allerdings ist das Verrückte an der Situation, dass die vielen unterschiedlichen Personen, die wirklich aus allen "Ecken" kommen - in vielerlei Hinsicht - ihrerseits so perfekte Charaktere - inklusive Namen, Spitznamen, Vita - und sogar inklusive der auf dem Tisch liegenden Ware, die auch viel aussagt - abgeben, dass es wirklich schade ist, sie nicht 1:1 so übernehmen zu können.
Das zeigt mal wieder: das Leben selbst schreibt die besten Romane. Man muss sich nur umsehen. Dafür muss man nicht weit reisen, sondern bloß einen Blick zu den Nachbarn werfen - und in der Markthalle sind dies so einige!
Nie zuvor habe ich mir darüber Gedanken gemacht, was Händler sich so in ca 7 Stunden nebeneinander bzw. in einer Halle erzählen, wenn gerade keine Kunden da sind. Ich kann denjenigen, die keine Erfahrung damit haben, nur sagen, dass es in den Gesprächen nicht immer nur um Preise, Einnahmen und Kunden geht. Plötzlich wird da das Innere nach außen gekehrt, einfach so.
Plötzlich ist es so wie in meinem ersten "Rodiwana"-Band, den ich vor so langer Zeit geschrieben habe. Da habe ich das geschäftige Treiben auf dem Markt in der Hafenstadt Unlivasts beschrieben. Und wie vieles in diesem ersten Band, dem Einstieg in die Welt der Fjordts aus dem Nordland, habe ich sehr ausführlich beschrieben, wie sich dort die Händler - die Nordmenschen - gegenüber den Zugereisten, den Kunden aus Süd-Varan, verhalten. Sie erzählen stets "viel und viel zu viel", denn sie haben viel Fantasie und sie ziehen auch die Süd-Varaner sofort in ihre persönlichen Belange mit hinein, um sie mit ihren Geschichten zu beeindrucken oder den Preis für ein magisches Jagjarufell der Dschungeljäger zu drücken. Eine goldene Marktregel besagt, dass die Südmenschen dabei keinen Unlivaster unterbrechen sollten, denn sonst könnten sie ihr Geschäft vergessen. Das Gedicht findet ihr auf der ersten Seite der Leseprobe von "Die unzähmbare Fantasie der Nordmenschen".
Wie sich in meinem Leben nicht nur durch den Buchverkauf auf dem Wismarer Hallenflohmarkt, sondern vor allem auch durch mein "Atelier Rodiwana", das seit April 2024 existiert, zunehmend gefühlt die reale Welt und meine Romanwelt miteinander vermischen, sich gegenseitig zu beeinflussen scheinen und sogar in Wechselwirkungen auseinander hervorzugehen scheinen, ist ganz unglaublich:
Beispiele:
gefühlt - gespürt -
Meine Romanfiguren werden Wirklichkeit und besuchen mich in meinem Buchladen "Atelier Rodiwana":
die Muscheltaucherin Dora Fjordt erscheint und berichtet mir ausführlich vom Tratsch aus dem Viertel
ein Mann aus "Tempus fugit" bestätigt mir einige Bestandteile rund um ein Objekt aus meinem mysteriösen Roman und lässt vieles für mich im Nachhinein nur noch Mysteriöser erscheinen
Ein Flohmarktbesucher (betrunken) tippt auf "Tempus fugit" und sagt - allen Ernstes - "Das bin ich! Sie ham von mir geschriebn, nich?" Ich frage ihn, was er meint und er berichtet mir stockend und lallend (in seinem Auftritt auch so verstört und verängstigt wie die Romanfigur in Kapitel 2) , dass er bei der Stasi war. Und dass sie ihn dann ja alle gehasst haben. Dabei waren die doch auch da... Kann ich nicht weiter ausführen, wäre zu kompliziert und würde zu viel vorwegnehmen. (Also: Bitte "Tempus fugit..:" lesen!)
Erik - als Junge - / und William Fjordt - Leiter der Fischhandelsfirma an der Dschungelküste - betritt meinen Laden und berichtet mir von seinen abenteuerlichen Tauchgängen
Solveig Fjordt war in unterschiedlichen "Ausführungen" bei mir, auch mit Kindern
Neu in diesem Jahr sind auch die Besuche von Menschen mit magischen Fähigkeiten, mit einem "dritten Auge", Seherinnen, Heilerinnen, Heiler, die unterschiedliche Methoden nutzen oder sich abschirmen oder zu Quellen und Wesen finden, diese suchen oder Kontakt zu ihnen aufnehmen.
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